Eine Verletzung des Rückenmarks hat meist schwerwiegende Auswirkungen. Patientinnen und Patienten sind von einer dauerhaften Lähmung der Beine, Arme und anderer Körperteile betroffen. Sie sind in ihrer Selbständigkeit beeinträchtigt. Die Möglichkeiten für eine Therapie bei einer Verletzung des Rückenmarks sind leider sehr begrenzt. Bis heute ist die Rehabilitation immer noch die wirksamste Behandlung für Patientinnen und Patienten mit einer Querschnittlähmung. Neue Medikamente mit Antikörpern könnten den Durchbruch bedeuten und die erste wirkliche Therapie für verletzte Nerven des Rückenmarks ermöglichen.
Vielversprechende Therapie mit Antikörpern
Studien im Labor und Pilotstudien am Menschen waren erfolgreich und geben Patientinnen und Patienten mit einer akuten Verletzung des Rückenmarks Grund zur Hoffnung. Zum ersten Mal scheint es möglich, dass die Erholung von Nervenfunktionen mit einem Medikament verbessert werden kann und sich Rückenmarkverletzte auch deutlich besser erholen können. Mit den neuen Antikörpern lässt sich ein körpereigener Hemmstoff (Nogo-A-Protein), der das Wachstum und die Regeneration von Nervenfasern verhindert, im Menschen ausschalten. Die Therapie zielt darauf ab, Regeneration und Plastizität der Nervenfasern zu verbessern, so dass sie sich wieder verbinden können. Damit sollen sich die motorischen und sensorischen Nervenfunktionen und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten deutlich verbessern.
Die Antikörper-Therapie wird zurzeit in einer breit angelegten, europaweiten Multicenter-Studie klinisch getestet (NISCI-Projekt - Nogo Inhibition in Spinal Cord Injury / Nogo-Hemmung bei Rückenmarksverletzungen). Teilnehmen können Patientinnen und Patienten mit einer akuten Verletzung des Rückenmarks (bis 28 Tage nach der Verletzung). Untersucht wird, wie sich die neue Antikörpertherapie auf die Nervenfunktionen, die Erholung der Bewegungsfähigkeit und den Allgemeinzustand auswirkt. Die Forschenden wollen herausfinden, ob die Therapie mit Antikörpern die Körperfunktionen und die Lebensqualität von Menschen, die von einer akuten Querschnittlähmung der Halswirbelsäule (Tetraplegie) betroffen sind, tatsächlich verbessert. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den Funktionen der Arme und Hände.
Sicher, gut verträglich und erfolgversprechend
Prof. Dr. med. Armin Curt, Direktor des Zentrums für Paraplegie der Universitätsklinik Balgrist, koordiniert das Projekt. Er geht davon aus, dass sich die Resultate früherer Studien bestätigen, wonach die Behandlung sicher, gut verträglich und erfolgversprechend ist. «Es scheint tatsächlich möglich, dass sich beschädigte Nervenfasern oder Fasern rund um die Läsion wieder verbinden. Wir hätten damit zum ersten Mal eine Therapie bei Rückenmarksverletzungen. Das wäre eine Revolution.»