Chirurginnen und Chirurgen nutzen alle ihre Sinne und vertrauen auf ihre Erfahrungen, um schwierige Operationen zu meistern. Bei schlechter Sicht auf die Anatomie ertasten sie die anatomischen Gegebenheiten oder achten auf akustische Signale, um beispielsweise festzustellen, wann sie mit dem Bohren aufhören müssen. Diese menschlichen Fähigkeiten haben Operationsroboter noch nicht, was ihren Einsatzbereich noch stark einschränkt. Diese Roboter folgen einem vordefinierten Pfad, der ausschliesslich auf der medizinischen Bildgebung basiert. Wenn dieser Pfad den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht wird, fehlt den Systemen die nicht-visuelle Sinneswahrnehmung, und das Fachpersonal muss wieder übernehmen. Diese Schwierigkeiten treten oftmals bei komplexen Operationen auf, die viel Präzision verlangen. Dazu gehören beispielsweise Versteifungsoperationen an der Wirbelsäule, wobei zahlreiche Schrauben millimetergenau im Umfeld des Rückenmarks platziert werden müssen.
Eine internationale Forschungskooperation unter Beteiligung der Universitätsklinik Balgrist (UKB) und der Universität Zürich (UZH) hatte sich in diesem Zusammenhang ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Die Entwicklung chirurgischer Roboter, die in der Lage sind, komplexe und hochpräzise Operationsschritte eigenständig durchzuführen, indem sie eine Vielzahl von sensorischen Wahrnehmungen nutzen. Diese Wahrnehmungen sind mit den menschlichen Sinnen vergleichbar. Die Roboter lernen das Gewebe zu scannen, sie tasten, hören, fühlen, interpretieren und handeln.
Seit 2021 arbeitet das Forschungskonsortium an diesem Projekt, das unter dem Namen FAROS bekannt wurde. FAROS steht für Functionally Accurate RObotic Surgery.
Die Resultate lassen aufhorchen
Drei intensive Jahre und acht gemeinsame Integrationswochen später wurde der fertige Prototyp im Forschungs- und Trainingscenter OR-X am Balgrist getestet. Die Validierung unterstreicht das Potential der nicht-visuellen Sensortechnik. «Die Genauigkeit des ersten Prototyps ist sehr vielversprechend. Wir befinden uns bald in einem Bereich, der klinisch akzeptabel ist», so Prof. Philipp Fürnstahl, der für das Engagement der UKB und UZH bei FAROS hauptverantwortlich war.
Ein Musterbeispiel internationaler Forschungsarbeit
Ein Forschungsprojekt dieser Grössenordnung setzt zahlreiche Expertisen und eine gute Koordination voraus. Entsprechend wichtig war die Zusammenarbeit der einzelnen Universitäten und Industriepartner. Die UKB und die UZH fungierten dabei als zentrale Bindeglieder zwischen den Bereichen Robotik (Universität Sorbonne, Frankreich), Informatik (King's College London, England), Sensorik (KU Leuven, Belgien) und Industrie (SpineGuard, Frankreich). Ausserdem ergänzten sie das Konsortium mit ihrer klinischen Expertise und einer professionellen Forschungsinfrastruktur – dem Operating Room X (OR-X).
FAROS: Ein EU-Horizon-Projekt
FAROS wurde durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union gefördert. Mit Fördermitteln in Höhe von fast 80 Mrd. Euro und einer Laufzeit von sieben Jahren war Horizon 2020 das grösste Forschungs- und Innovationsprogramm der EU.
Links:
FAROS - Video
FAROS - Multisensorische Robotik
FAROS project website
Positionspapier von Swiss Medtech zur Förderung von robotischen Assistenzsystem in der Chirurgie