Mit hochspezialisierten Viren gegen Harnwegsinfektionen

Viren greifen Bakterien an

Forschende haben einen Schnelltest für die Erkennung der Bakterien von Harnwegsinfektionen und einen neuen Therapieansatz entwickelt.

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Die Standardbehandlung der Harnwegsentzündungen mit Antibiotika stellt Ärztinnen und Ärzte vor ein Dilemma, da die Antibiotikaresistenzen bei Harnwegsinfekten hoch sind und das eingesetzte Antibiotikum nicht immer hilft, weil die Wirksamkeit gegen den krankmachenden Erreger nicht bekannt ist. Die herkömmliche Diagnostik benötigt mehrere Tage, um den spezifischen Erreger zu identifizieren.

Forschende der Universitätsklinik Balgrist und der ETH Zürich haben im Rahmen des Forschungsprojekts CAUTIphage einen auf Bakteriophagen basierenden Schnelltest für die Erkennung der Bakterien von Harnwegsinfektionen und einen neuen Therapieansatz entwickelt.

Schnelltest für eine zuverlässige Diagnose

Bakteriophagen sind hochspezialisierte Viren, die nur bestimmte Bakterien erkennen und sie schliesslich zerstören. In einem ersten Schritt identifizierte die Forschungsgruppe die Phagen gegen die drei Hauptakteure von Harnwegsinfekten und in einem weiteren Schritt veränderten sie die natürlichen Phagen so, dass die infizierten Wirtsbakterien nach Kontakt mit den Phagen ein Lichtsignal produzieren, welches sich leicht messen lässt. Mit dieser Methode können die krankmachenden Bakterien direkt und zuverlässig in der Urinprobe nachgewiesen werden – und dies in weniger als vier Stunden. Somit kann gleich nach Feststellung des Erregers das passende Antibiotikum verschrieben werden. Ein weiterer Vorteil dieses Schnelltests ist die Möglichkeit einer Prognose, welche Therapie besonders erfolgreich sein könnte, da die Effizienz der Phagen beim Angriff auf das Bakterium bereits durch die Stärke des Lichtsignals erkennbar ist. Je mehr die Probe leuchtet, umso besser spricht das Bakterium auf die Therapie an.

Zweigleisige Attacke auf die Bakterien

Phagen haben kein Interesse daran, ihren Wirt, also das krankmachende Bakterium, vollständig abzutöten. Um die Wirksamkeit der Phagen zu verstärken, haben die Forschenden sie genetisch verändert, indem sie im Inneren des infizierten Wirtsbakterium nicht nur neue Phagen produzieren, sondern auch die sogenannten Bakteriozine. Diese bakterienabtötenden Proteine werden freigesetzt und sind besonders wirksam gegen Bakterienstämme, die Teile ihrer Oberfläche so verändert haben, dass die Phagen sie nicht mehr erkennen. Durch diese zweigleisige Attacke wird die Therapie effektiver.

«Dank der Entwicklung des Schnelltests und des neuen Therapieansatzes sind wir einen wichtigen Schritt weiter in der Bekämpfung von Harnwegsinfekten. Nun werden wir diese vielversprechenden neuen Methoden bei ausgewählten Patientinnen und Patienten in klinischen Studien überprüfen», sagt Prof. Dr. Thomas M. Kessler, Chefarzt Neuro-Urologie an der Universitätsklinik Balgrist und Leiter des Forschungsprojekts CAUTIphage.